Der Eisberg glitzert und glänzt. Sonnenlicht wird reflektiert, gleichzeitig strahlt das Eis an manchen Stellen so intensiv, als ob es von innen leuchten würde. Kantig, geschliffen, poliert, geborsten und angetaut. Der Eisberg ist ständig im Prozess des Wandels, der schließlich in der Auflösung endet. Manchmal bersten sie aufgrund von Spannungen, ansonsten ein Treiben in der Strömung und mit dem Wind. Friedlich und still. Filigrane zerbrechliche Formen wechseln mit gewaltigen Eisblöcken. Je nach Sonnenlicht entstehen die schönsten Farbspiele. Im sanften Morgenrot schimmern sie orange, im Licht der gleißenden Mittagssonne sind die Kontraste hart und das Blau wirkt eisig. Der Sonnenuntergang taucht das Eis in glühendes warmes Rot. Als bizarre Silhouetten heben sich die Eisberge vor der untergehenden Sonne ab. Jeder Eisberg ist einzigartig, ein Kunstwerk der Natur.
Panorama Foto: Eisberg im späten Sonnenlicht im Atlantik vor der Küste Neufundland in Ost Kanada.
Wir befinden uns in Twillingate an der Küste von Neufundland. Vom Fuße des Long Point Leuchtturms blicken wir auf das Meer. Die schroffe Felsenküste fällt steil ab, in der Tiefe schlägt die Brandung gegen das Ufer. Von hier oben hat man einen wundervollen Ausblick entlang des Küstenstreifens. Weit unten liegen die Eisberge wie winzige Sahnehauben auf dem Meer, manche sind in kleinen Buchten gestrandet.
Von den Gletschern Grönlands und der Polarregion bringt der kalte Labradorstrom gewaltige Eisberge mit sich. Bis zu 40 000 gehen jährlich auf die Reise, davon erreichen etwa 800 St. John's, die Hauptstadt der Inselprovinz. Zwischen März und Juli treiben sie entlang der sogenannten "Iceberg Alley" (Eisberg Allee), die an der Nordostküste Neufundlands verläuft. Ihre Zahl variiert von Jahr zu Jahr, manchmal werden nur wenige Hundert gezählt, in anderen Jahren weit über Tausend.
Das gefrorene Eis eines Eisberges kann bis zu 15 000 Jahre alt sein. Das Wasser ist sehr rein und eignet sich sogar zur Trinkwassergewinnung. Die Temperatur im Inneren der Eisberge beträgt -15 bis -20 Grad. Da sich Wasser während des Gefrierens ausdehnt, sind die riesigen Kolosse leichter als das flüssige Meerwasser in dem sie treiben. Wenn sie sich von den Gletschern Grönlands lösen oder große Stücke von Eisbergen abbrechen, nennt man das "Kalben".
Am späten Nachmittag unternehmen wir mit einem Walbeobachtungsunternehmen einen Ausflug zu den Eisbergen. Die Fahrt dauert nicht lange. Cecil, der Kapitän versprüht gute Laune und erzählt uns, dass er schon langjährige Berufserfahrung im "iceberg watching" (Eisberg Beobachtungen) hat. Er nennt sich selbst den "Iceberg Man" und schmunzelt dabei.
Nahe der Küste treibt ein riesiger Eisberg, ein seltens Exemplar. Abgesprungene Brocken liegen auf dem Koloss. Seevögel haben sich niedergelassen und nutzen die treibende Insel als Ruhestätte. Cecil umrundet den Eisberg und wir können ihn von allen Seiten bewundern. Da der größte Teil des gigantischen Eisbrockens unter Wasser liegt, müssen wir einen Sicherheitsabstand einhalten. Er könnte sich jederzeit ohne Vorwarnung drehen.
Plötzlich zerreißt ein ächzendes, lautes Krachen die Stille. Gebannt blicken wir auf den Eisberg, von dem das Geräusch ausgeht. Wie in Zeitlupe bricht eine zinnenförmige Außenkante ab. Sekundenlang scheint sie in der Luft zu schweben, bevor sie nach unten gleitet und mit einem mächtigen Aufprall in das Wasser stürzt. Kurz darauf taucht der kleine neue Eisberg aus den Wellen empor und beginnt ein eigenständiges Leben. Noch schwankt er durch die Wucht des Aufpralls und tanzt auf den Wellen. Es wird langsam dunkel und wir fahren Richtung Hafen. Wir blicken noch einmal zurück um Abschied zu nehmen. Der kleine Eisberg hat sein Gleichgewicht gefunden und liegt friedlich auf dem Wasser. Nichts deutet mehr auf das gewaltige Naturschauspiel hin.
Ein weiteres Reiseziel um Eisberge zu beobachten ist der "Viking Trail" im Nordwesten von Neufundland. Vor allem im Norden um St. Anthony kann man Eisberge beobachten. Mit etwas Glück begegnet man bei einer Eisberg oder whale watching Tour sogar Buckelwalen die sich jedes Jahr im Sommer vor der Küste Neufundlands aufhalten.